Start
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.

2. Immigration

 Die Magyaren, Teil der finnisch-ungrisches Volksgruppe, verließen im 9. Jahrhundert die Ukraine und besetzten die pannonische Tiefebene, wo sie im weiteren Verlauf auch seßhaft wurden. Von hier dehnten sie ihre territorialen Eroberungen aus und gelangten so im 11. und 12. Jahrhundert in den Besitz Siebenbürgens, welches zu diesem Zeitpunkt bereits zum Siedlungsraum der Rumänen gehörte und nun zum Grenzland Ungarns wurde. König Geza II. (1141-1162) siedelte die ersten Deutschen in Siebenbürgen an. die Begründung für eine solche Maßnahme wird allgemein in der inneren Krise, in der sich das ungarische Reich befand, gesehen. Der König war gezwungen, seine Autorität in den Randgebieten durch ihm ergebene Landbewohner zu festigen, welches durch westliche Siedler erreicht werden sollte, die durch die ihnen gewährten Privilegien dem König unmittelbar verpflichtet waren. In der Zeit religiösen Glaubenseifers war sicher auch die Konfessionszugehörigkeit der Ansiedler von Bedeutung. Die Ungarn hatten sich mit Geza I (971 - 997) und Stephan I (997 - 1038) zur Römischen  Kirche bekannt, während die Rumänen der Ostkirche angehörten. Zudem erhoffte man sich durch neue, westliche Siedler eine wirtschaftliche Entwicklung der dünn besiedelten Region und damit größere Steuereinnahmen.  

Der in der Grenzwacht erfahrene Volksstamm der Szekler (1)  wurde bald nach der Ankunft der ersten Immigranten in den Südosten Siebenbürgens umgesiedelt, wo sie noch heute ansässig sind. 
Das Gebiet, daß die ersten Einwanderer zur Verfügung gestellt bekamen, wird in verschiedenen Urkunden als 'terra deserta' (ödes, wüstes, menschenleeres Land) bezeichnet, welches in der älteren Geschichtsschreibung so gedeutet wurde, daß die Siedler in eine menschenleere Gegend gezogen seien. Die heutige Forschung übersetzt jedoch 'desertus' mit 'verlassen' und stellt so den Zusammenhang mit den dieses Gebiet verlassenden Szeklern her. Es sind keine territorialen Konflikte mit bereits ansässiger Bevölkerung bekannt, was darauf verweist, daß es in den für die Immigration zur Verfügung gestellten Teilgebieten Siebenbürgens nur eine minimale Besiedelung gegeben haben muß. 

"Wie die Auswanderung vonstatten ging, ist nicht überliefert. Es ist anzunehmen, daß Boten ausgesandt wurden, die die nötigen Vollmachten hatten, um das Siedlungsrecht wenigstens in groben Zügen auszuhandeln. Nicht nur der Bodenbesitz lockte die Siedler, sondern vor allem die Zusicherung, daß der Adel von ihrem Siedlungsgebiet ausgeschlossen sein sollte." (Annemie Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München 1992. S.32) 
Weiterhin lockten die Nutzungsmöglichkeiten von Salzgruben, Gold- und Silberminen. 

Über die 'Urheimat' der Siedler herrscht keine Klarheit. In den Quellen werden die neuen Siedler 'hospes' (Gastsiedler), Teutonen, Flandrer und Sachsen genannt. Sprachliche Eigenarten der Siebenbürger Sachsen lassen Parallelen zu dem Raum der Erzbistümer Köln und Trier sowie von Luxemburg erkennen. "Bis heute scheint so viel festzustehen: Auf die Annahme einer eng umgrenzten 'Urheimat' und eines einmaligen Kolonisationsaktes muß verzichtet werden. Die Siedler kamen aus vielen Gebieten des deutschen Reiches mit Ausnahme der nördlichen Randzone. In ihrer Mehrheit sind sie den Franken zuzurechnen. Aber die 'hospites' waren zumindestens in der Anfangsphase nicht alle Deutsche. Eine größere Anzahl von Romanen, wahrscheinlich Wallonen, muß sich unter ihnen befunden haben." (Annemie Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München 1992. S.37)   
Es ist unklar, warum das ungarische Königshaus vor allem im Westen des Deutschen Reiches Siedler anwarb oder gerade diese nach Siebenbürgen auswanderten. Es zeigen sich zwar Parallelen mit der allgemeinen Expansion des deutschen Siedlungsraumes gen Osten und einer vermehrten Auswanderung in jene Gebiete, für die sicher eine Zunahme der Bevölkerung verantwortlich zu machen ist, doch ist zu fragen, ob nicht auch andere Nationen eine solche Bevölkerungsentwicklung hatten und zur Immigration bereit waren? Der Bevölkerungsanstieg kann nicht der alleiniger Grund für die kontinuierliche deutsche Umsiedlung nach Siebenbürgen vom 12. bis 14. Jahrhundert sein. Zudem ist verwunderlich, daß  diese letztlich erhebliche Auswanderung bisher nicht in den Quellen des Deutschen Reiches nachgewiesen werden konnte. 

Allgemein wird angenommen, daß die Anzahl der ersten Ansiedler zwischen 2.000 und 3.000 Personen betragen habe, die im sogenannten 'Altland' im Gebiet um die damals gegründete Hermannstadt siedelten. Hier scheint um 1224 die Besiedelung in seiner Grundstruktur abgeschlossen. Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde das Gebiet nach Süden bis zum 'Großen Kokel' ausgeweitet und im Norden das 'Nösnerland' und das 'Reener Ländchen' für die Siedler erschlossen. Nach 1211 wurde im Südosten, im 'Burzenland', mit Dorfgründungen begonnen. Hier engagierte sich zunächst der Deutsche Orden, der von König Andreas II (1205-1235) das 'Burzenland' durch eine Schenkung übereignet bekommen hatte. Doch kam es zu Unstimmigkeiten zwischen dem Orden und dem König. Als der Deutsche Orden versuchte, einen eigenen Staat unter Oberhoheit des Papsts zu errichten, kam es 1225 zur Vertreibung des Ordens. Die vom Orden aufgebaute Siedlungsstruktur blieb jedoch für das Burzenland bestimmend. Am Ende des 13. Jahrhunderts und zu Beginn des 14. Jahrhunderts erfolgte die Besiedelung des Landes zwischen dem Großen und Kleinen Kokel. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts kam der mittelalterliche Ansiedlungsprozeß zu einem Ende. 

Den Siedlern wurden auf dem ungarischen Reichsterritorium bestimmte Privilegien gewährt. Bekannt ist ihre Bestätigung 1224 durch Andreas II. Diese wird 'Goldener Freibrief' oder auch 'Andreanum' genannt und garantierte die wirtschaftlichen und sozialen Freiheiten. Den Siedlern wurde "über den ihnen vom König zugeteilten Boden, den sogenannten Königsboden, das alleinige Verfügungsrecht eingeräumt. In diesem Gebiet waren die Siedler königsfrei, also keinem Grundherrn untertan. Nur dem König waren sie Rechenschaft schuldig, konnten ihre Richter, die nach dem Gewohnheitsrecht urteilen durften, und ihre Pfarrer wählen, freien Handel treiben und erhielten eigenes Marktrecht, wie auch die Wald- und Wassergerechtigkeit." (Annemie Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München 1992. S.35)  
Es wurde jedoch nicht nur auf dem Königsboden gesiedelt. Weltliche und geistliche Grundherren bemühten sich ebenfalls um Siedler. So kam es auch zu Dorfgründungen auf dem sogenannten 'Komitatsboden'. Er wurde vom Adel oder Klerus verwaltet. Bis ins 14. Jahrhundert entsprachen sich Komitatsboden und Königsboden bezüglich ihrer wirtschaftlichen und sozialen Anreize, die sie den Ankömmlingen boten, weshalb es keinen Anlaß gab, einen der beiden Siedlungsgebiete zu meiden. Doch verloren die freien Bauern auf dem Komitatsboden allmählich ihre Rechte und wurden zu Hörigen. In Siebenbürgen bestand damit eine sozial-rechtliche Gliederung in Adel, Klerus, Freie und Hörige.  



1 Szekler sind eine ungarisch sprechende Volksgruppe, die möglicherweise jedoch tatarischer Herkunft ist. (zurück)
 
 
Start
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
 



main-page
zum Projekt
Literatur
Skulptur
Malerei
Fachwörter
Architektur
Links
 
 
weber@ars-transylvanica.de